Hüsne Çirak
Willkommen in meinem Abschnitt „Meine Wanderung“. Hier erfahrt ihr mehr über die Etappen meines Lebenswegs. Eine Landkarte zeigt, wo meine Reise begann und wohin sie mich geführt hat, während die Zeitleiste die wichtigsten Momente dokumentiert. Die Emotionskurve verdeutlicht die Höhen und Tiefen, die ich durchlebt habe. Taucht ein und entdeckt die Geschichte hinter meiner Reise.
Mein Weg nach meiner Hochzeit war alles andere als leicht. Ich komme aus dem Süden der Türkei und erhielt eine Einladung, als Gastarbeiterin nach Deutschland zu kommen. Da ich aus einfachen Verhältnissen stamme, sah ich darin eine Chance. Ursprünglich wollte ich nur vorübergehend arbeiten und dann zurückkehren, doch wir blieben.
Am 3. April 1973 begann meine Reise. Zuerst fuhr ich mit dem Bus von Tarsus nach Istanbul, dann flog ich nach München. Dort stieg ich in den falschen Zug, da ich kein Deutsch sprach, und landete in Brackwede statt in Bielefeld. Verzweifelt und weinend halfen mir freundliche Menschen, bis mich mein Chef abholte und zu meinem Mann brachte. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen.
Anzahl und Anteil der verheirateten Mädchen im Alter von 16-17 Jahre nach Provinz in der Türkei
© Teyit
Ich arbeitete in einer Möbelfabrik und hatte viele liebe Kolleg*innen, die mir halfen, die deutsche Sprache besser zu lernen. Einen Deutschkurs habe ich nie besucht, da solche Angebote damals selten waren. Stattdessen las ich viel und ließ meine Kolleg*innen meine Aussprache verbessern. Sogar ein Duden gehörte zu meinen Hilfsmitteln.
Nach zehn Jahren wurde ich schwanger und bekam mein erstes Kind. Zwei Jahre später folgte das zweite. Mit meinen zwei Söhnen fühlte ich mich als Frau und Mutter vollständig. Die Erziehung war jedoch nicht immer leicht. Besonders als meine Kinder zur Schule gingen, bemühte ich mich, mein Deutsch weiter zu verbessern, um sie besser unterstützen zu können.
Schüler*innen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte nach Schulform in NRW im Schuljahr 2023/24
© IT.NRW
Jahre später, als ich Enkelkinder bekam, war ich die glücklichste Oma der Welt. Doch 2010 erkrankte mein Mann an Leukämie. Es war ein harter Kampf für uns. Die Ärzte sagten, er hätte nur noch drei Monate zu leben, doch er kämpfte ein weiteres Jahr. Kurz glaubten wir, den Krebs besiegt zu haben, bis wir erkannten, dass es keine Hoffnung mehr gab. 2011 verloren wir ihn.
Den geliebten Lebenspartner und Vater meiner Kinder zu verlieren, war das Schwerste, was mir damals passieren konnte. Es kam völlig unerwartet, und auch sein Abschied war es.
Jährliche Todesfälle aufgrund von Krebs in Deutschland
© Statista 2025
Nach einigen Jahren fanden wir wieder unseren Weg im Leben. Mein jüngster Sohn heiratete, und die Familie wuchs. Zwei Jahre später schenkte er uns zwei zuckersüße Kinder. Ich wünschte mir, dass mein Mann diesen besonderen Moment miterlebt hätte, denn er hätte die beiden genauso geliebt wie Lara Selina und Seymen. Der Sohn trägt im zweiten Namen den Namen meines Mannes, und so lebt Ali immer noch in unseren Herzen und wird nicht vergessen.
Trotz allem bin ich dankbar für das, was mein Mann und ich gemeinsam aufgebaut haben, und stolz darauf, die Mutter und Oma zu sein, die ich heute bin. Von allen geliebt und geschätzt zu werden, ist für mich das Wichtigste.
“Heimatverbundenheit” mit Deutschland und der Türkei
© Zentrum für Türkeistudien, 2016 | MEDIENDIENST INTEGRATION 2017