Im Jahr 1990 erlebte Deutschland tiefgreifende Veränderungen in der Migrationspolitik. Während die erste Komponente – die Zuwanderung aus dem Osten – durch den Zusammenbruch des Ostblocks an Bedeutung verlor, wurde ein neues Aufnahmeverfahren eingeführt. Dieses ermöglichte erstmals eine verwaltungstechnische Steuerung der Zuwanderung, um die Migration besser zu organisieren und zu regulieren.
Gleichzeitig wurde eine zweite wichtige Komponente ausgebaut: Der deutsch-sowjetische Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit wurde am 9. November 1990 unterzeichnet. Dieser Vertrag förderten kulturelle Einrichtungen und Praktiken, wie etwa den Gebrauch der Muttersprache, und legten die Grundlage für die weitere Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen den Ländern.
In der gleichen Zeit stieg die Zahl der Asylbewerber von 103.000 auf 121.000, während die Zahl der Aussiedler von 202.000 auf 377.000 anstieg. Besonders die Zahl der Übersiedler aus der DDR erlebte mit einem Anstieg von 39.000auf 343.000 eine dramatische Veränderung aufgrund der politischen Umwälzungen und der Wiedervereinigung Deutschlands.
Diese Entwicklungen prägen den Beginn der 1990er Jahre, in denen sich die Migrations- und Asylpolitik in Deutschland stark veränderte und durch internationale Verträge sowie die neuen Herausforderungen im Hinblick auf Zuwanderung und Integration beeinflusst wurde.
Am 1. Januar 1991 tritt das Gesetz zur Reform des Ausländerrechts in Kraft, das am 9. Juli 1990 verabschiedet wurde. Es hat das Ziel, die Integration der dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer zu unterstützen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Erleichterung der Einbürgerung für die in Deutschland geborene und aufgewachsene zweite Generation sowie für die Elterngeneration, die bereits lange hier lebt.
Im Jahr 1991 wurden die Auswirkungen der zunehmenden Zuwanderung deutlich spürbar. Besonders in vielen Städten verschlechterten sich die Wohn- und Lebensbedingungen für viele Migranten erheblich. Chaotische und teils inhumane Zustände in den Unterkünften führten zu einem wachsenden Unmut in der Bevölkerung. Ein Großteil der Deutschen war zunehmend der Ansicht, dass die Regierung die Kontrolle über die Zuwanderung verloren hatte. Diese Wahrnehmung trug zur Verunsicherung und zur politischen Debatte über die Ausländerpolitik bei, was das gesellschaftliche Klima erheblich beeinflusste.
Im September 1992 halbierte sich der Umfang der Asylkontingente im Vergleich zu ihrem Höchststand von 112.000 Personen.
Am 6. Dezember 1992 erreichte die Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP gemeinsam mit der SPD einen Asylkompromiss, der in zwei bedeutenden Gesetzesänderungen resultierte. Dabei wurde Artikel 16 des Grundgesetzes modifiziert, und es wurden Änderungen im Asylrecht, Ausländerrecht und Staatsangehörigkeitsrecht vorgenommen. Diese Maßnahmen zielten darauf ab, die Zuwanderung zu begrenzen, den Missbrauch des Asylrechts zu verhindern und gleichzeitig den Schutz für politisch Verfolgte zu gewährleisten.
Im Jahr 1992 verzeichnete Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eine Rekordzahl von 438.000 Asylbewerbern, was das Land auf Platz 33 der Länder mit dem größten Flüchtlingsanteil an der Gesamtbevölkerung brachte, jedoch nur mit einem Zehntel des Anteils im Vergleich zu anderen Ländern. In vielen westeuropäischen Staaten wurden die Asylrechte verschärft, und durch bilaterale sowie multilaterale Abkommen wurde die Zahl der Asylbewerber weiter begrenzt. Asylanträge wurden nun hauptsächlich aus Ländern zugelassen, die die Genfer Flüchtlingskonvention und die Menschenrechtskonvention nicht unterzeichnet hatten. Zudem wurde das Asylverfahrensgesetz verabschiedet, um das Verfahren zu beschleunigen und den gerichtlichen Rechtsschutz einzuschränken.
Durch gesetzliche Änderungen im Asylrecht kam es zu einem Rückgang der Asylanträge in Deutschland. Die Zahl der ausländischen Bevölkerung stieg jedoch weiterhin.
Es gab eine Nettoauswanderung aus fast allen Staaten, mit Ausnahme der Russischen Föderation. Zwischen 1991 und 1993 wanderten mehr als 2,5 Millionen Menschen aus, davon etwa 1,5 Millionen hauptsächlich nach Westeuropa. Besonders viele Auswanderer kamen aus Albanien, Rumänien und dem ehemaligen Jugoslawien.
Ab März 1993 begann die sozialliberale Koalition, die von der CDU/CSU-Opposition als entscheidungsschwach kritisiert wurde, mit der Reduzierung des Nachzugsrechts für ausländische Jugendliche und der Einführung von Rückkehrhilfen. Diese Maßnahmen bildeten die Grundlage für die Ausländerpolitik der Regierung Kohl, die auf eine Verringerung der Zuwanderung, die Förderung der Rückkehrbereitschaft sowie die Integration derjenigen setzte, die dauerhaft bleiben wollten.
Am 26. Mai 1993 blockierten Demonstrationen in Bonn den Zugang zum Bundestag. Rund 1.000 Demonstranten protestierten gegen die geplante Änderung von Artikel 16 des Grundgesetzes, der das deutsche Asylrecht regelte. Trotz dieser Störungen wurde der neue Artikel 16a in das Grundgesetz aufgenommen, um das Asylrecht zu verschärfen.
Am 1. September 1993 wurde ein Gesetz zur Begrenzung der Zahl der Vertragsarbeitnehmer eingeführt. Es wurde festgelegt, dass nur 100.000 Vertragsarbeitnehmer ausländischer Firmen für Aufträge in Deutschland tätig sein dürften. Ihre Aufenthaltsdauer war auf maximal drei Jahre begrenzt, und sie mussten entsprechend den deutschen Tariflöhnen bezahlt werden.
Die Zahl der Menschen, die zum Verlassen ihrer Heimatländer gezwungen waren, stieg auf über 20 Millionen laut UNHCR.
Im Mai 1994 beschlossen die sozialdemokratisch regierten Bundesländer, die Abschiebungen von Kurden in die Türkei auszusetzen, da die Verfolgungssicherheit nicht gewährleistet sei – entgegen der Ansicht der Bundesregierung.
Im Juni 1994 stellte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gegen die Politik der schnellen Abschiebungen, die von ihrer eigenen Regierung verfolgt wurde. Sie argumentierte, dass jeder Einzelfall genau geprüft werden müsse, und betonte, dass abgelehnte kurdische Asylbewerber nicht abgeschoben werden dürften, wenn Folter oder Todesstrafe drohten.
Im Jahr 1995 erlaubten viele westeuropäische Staaten keine dauerhafte Zuwanderung von Arbeitsmigranten, förderten jedoch die temporäre Arbeitsmigration, da diese die Flexibilität des Arbeitsmarktes erhöhte und sektorale Engpässe ausglich.
Deutschland führte größere Programme für die Beschäftigung von Facharbeitern, Saisonarbeitern, Auszubildenden und Studenten durch. Im Jahr 1995 wurden etwa 193.000 Arbeitskräfte aus mittel- und osteuropäischen Ländern beschäftigt.
Zunahme der ausländischen Bevölkerung aus Nicht-EU-Staaten: Zwei entscheidende Ereignisse prägten diese Entwicklung. Erstens führte der Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftssystems zu einer neuen Reisefreiheit für Mittel- und Osteuropäer. Zweitens bewirkte der Krieg im ehemaligen Jugoslawien, dass Deutschland sowohl Flüchtlinge aus Jugoslawien als auch Migranten aus mittel- und osteuropäischen Ländern aufnahm.
Im Jahr 1996 zeigten die Bevölkerungsstatistiken eine deutliche Zunahme der ausländischen Bevölkerung in Westeuropa, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig diversifizierten sich die Nationalitäten der Zugewanderten, und es war eine klare Tendenz zur dauerhaften Niederlassung der Migranten zu erkennen.
Der Krieg nach der Auflösung Jugoslawiens brachte das Flüchtlingsproblem verstärkt nach Europa. Nach Angaben des UNHCR flohen bis 1996 etwa 1,3 Millionen Menschen aus Bosnien und Herzegowina, während zusätzlich 1,1 Millionen Binnenflüchtlinge aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Kroatien nahm rund 500.000 Flüchtlinge aus Bosnien auf und hatte ebenfalls eine erhebliche Zahl von Binnenflüchtlingen aus den Kriegsgebieten zu bewältigen.
Anfang 1997 waren in den 15 Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) über zwei Millionen Flüchtlinge beim UNHCR registriert. Die Bundesrepublik Deutschland nahm dabei den größten Teil dieser Flüchtlinge auf.
Der Familiennachzug spielte 1997 eine bedeutende Rolle in der Zuwanderungspolitik. Obwohl genaue Statistiken schwer nachzuweisen sind, zeigen die vorliegenden Daten zur Zuwanderung von Asylbewerbern und Arbeitsmigranten, dass der Familiennachzug in allen westeuropäischen Staaten mindestens ein Drittel und in einigen Ländern sogar mehr als die Hälfte der gesamten Zuwanderung ausmachte.
Der Kosovo-Krieg war der letzte der Jugoslawienkriege von 1991 bis 2001. Ein entscheidender Auslöser war die Aufhebung der Autonomie des Kosovo durch das serbische Parlament am 28. März 1989, was den Zerfall Jugoslawiens beschleunigte.
Bis 1998 wurden etwa 250.000 Menschen im Kosovo gewaltsam vertrieben oder befanden sich auf der Flucht.